Wissenswertes: Wertermittlung einer gebrauchten Uhr


 

Herzlich willkommen in der Wunderwelt der Uhrenpreise, im Land der Mythen und Legenden, der Heimstatt von Pinocchio und Graf Münchhausen. Wo viele Märchen erzählt und kaum eins wahr wird. Hier wird Ihnen alles geboten zwischen Schnäppchen und Schnappatmung.

Lassen wir der Einfachheit halber die Variante des Kaufes beim Konzessionär zum Listenpreis außen vor. Ich werde auch hier keine Tipps oder Spekulationen zum Besten geben, wo Sie wie viele Prozente verhan-deln können. Nur so viel:

Fragen kostet nix, handeln ist erlaubt. Sie werden sehr schnell an die Grenzen stoßen, sowohl was den Preis als auch die Geduld des Verkäufers betrifft. Ich setzte einfach mal voraus, dass Sie erwachsen und umgangsförmlich auf dem neusten Stand sind. Der Rest liegt nun in Ihrer Hand. Ich rede (schreibe) hier lieber über den zweiten Markt, also den Erwerb von Gebrauchtuhren auf jedweden Plattformen und Bezugsquellen. Und sowohl für den Kauf als auch für den Verkauf gilt die alte Händlerweisheit:

„Ein Produkt ist genau so viel wert, wie Sie (oder ein anderer) auf den Tisch blättern!“

Weise Worte, locker in die Tastatur gehämmert. Sie dürfen also nie die Frage stellen, was eine Uhr generell wert sei, sondern was sie IHNEN wert ist. Und das haben Sie nicht mit dem Verkäufer, sondern mit sich selbst auszumachen. Schlauerweise vor dem Kauf. Sollten Sie die längst verschollen geglaubte Taschen-uhr Ihres Großvaters auf einem Flohmarkt wieder-finden, dann werden Sie wohl bereit sein, das Mehrfache des Sachwertes für dieses kaputte aber emotional aufgeladene Stück zu zahlen. Aus Schrott wird ein Schatz.

Lösen wir uns aber von diesen Sonderfällen und gehen möglichst emotionslos an die Bewertung einer Uhr. Sagen wir einfach: Sie haben sich für eine Omega Seamaster entschieden. Modellvariante und damit auch die Referenz ist Ihnen bekannt, Sie können also recht objektiv die Angebote vergleichen. Welches sind die Kriterien, die Sie beim Kauf beachten oder nachfragen sollten? Was unterscheidet die hochpreisigen von den billigen Angeboten – ausgenommen die Gier und der Größenwahn der Verkäufer?

Das Paket

Mit Paket oder Set ist der Lieferumfang der Uhr ab Werk, bzw. ab Händler gemeint. Von Händlerrechnung bis zur Marken-Tüte. Alles das, was man Ihnen für Geld in die Hand drückt, während Sie versuchen, die Tränen der Freude zu unterdrücken.

Zum Mindestumfang gehören:

  • die Uhr selbst
  • Aufbewahrungsbox mit Uhrenkissen
  • Bedienungsanleitung
  • Garantiezertifikat oder –Karte
  • Händlerrechnung

Je nach Marke und Preisregion der Uhr gibt’s noch obendrauf:

  • Umkarton um die Box
  • Reise-Etui für die Uhr
  • Pricetag (original Preisanhänger)
  • Marken Hangtag (z.B. Krone an Kordel bei Rolex)
  • Poliertuch mit Markenlogo
  • Produktprospekt bei Sondereditionen
  • Revisionsbelege
  • Liste der Konzessionäre
  • Schraubendreher
  • Bandwechselwerkzeug
  • Lupe / Uhrmacherlupe
  • Wechsel-Armband

Breitling Navitimer Rosegold 11Bei themenbezogenen Uhren (Flieger, Taucher) ken-nen die Zugaben keine Grenzen. So legt Longines bei einigen Lindbergh-Modellen eine farblich passende Fliegerhaube aus Leder in die Box. Omega schmückt die Pakete gerne mit Medaillen und Auszeichnungen ihrer Uhren.

Egal welch sinnvoll oder –freies Zubehör zum Kauf-umfang gehört, jedes einzelne Teil sollte auch im Verkaufsumfang enthalten sein. Machen Sie sich also schlau, was in Ihr persönliches Wunschuhr-Paket reingehört und fragen Sie beim potenziellen Verkäufer die Vollständigkeit ab. Es versteht sich von selbst, dass der Preis durch das Fehlen des Poliertüchleins nicht ins Bodenlose fallen wird. Hingegen ist der Mangel an Garantie-Zertifikat oder Box ein grandioser Preisdrücker.

Je älter die Uhr, desto wertvoller macht sie das Komplettpaket. Über die Jahrzehnte geht so manches im Haushalt oder beim Umzug verloren. Aber die Echtheit einer Uhr lässt sich noch nach Dekaden verifizieren. Umso seltener ist eine wertvolle Uhr aus den 60ern im Komplettset mit Box und Papieren (gängige Abkürzung „B+P“) zu finden. Das treibt den Preis dann schnell mal um 20-30% in die Höhe. Doch auch dann heißt es: Blauauge sei wachsam. Schauen Sie sich nur mal auf den Verkaufs-Plattformen um, wie viele Originalpapiere auch bar jeglichen Zeitmessers verkauft werden. Also: Bitte immer „Zertis“ und Gehäusenummern abgleichen, denn wie Sie wissen: Papier ist auch bei Fälschern geduldig.

Ein Angebot, in dem von „B+P“ die Rede ist, beinhaltet nicht unbedingt die Originale beider Bestandteile. Als Papiere gelten natürlich auch die Gewährleistung oder die Rechnung des aktuellen (Gebrauchtuhren-) Händlers. Und eine Box, tja, das kann nun alles sein – von Samtschatulle bis Plastikpäckchen. Seriöse Händler erkennt man an detaillierten Angaben und scharfen (ich meine das technisch!) Fotos.

In den seltensten Fällen werden Sie eine Vintage-Uhr mit originaler Händlerrechnung finden. Das erwartet auch niemand, denn die Quittungen landen meist in verstaubten Aktenordnern oder Muttis Garantie-Buchhaltung.

Für Sie als Sammler sollte generell gelten: Alles aufheben! Vor allem Revisionsbelege.

Mehr Wissenswertes rund um das Sammeln von Uhren finden Sie in meinem Buch „Armbanduhren sammeln Wertermittlung / Kauf / Pflege / Aufbewahrung!“ unter www.herrstrohmsbuecher.de

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